corona notes: noch ein paar Sätze

Dass Jürgen sich wieder einmal mit Corona beschäftigt beruht darauf, dass der Virus ihm sehr nahe gekommen ist und auf der Tatsache, dass es einen zweiten Lockdown gibt. Die Beschäftigung mit dem Stichwort Corona soll wieder helfen zu klären, zu begreifen, zu verstehen.

Aber diesmal ist es für ihn, wie er sagt, anders als beim ersten male im Frühjahr. Damals hiess es “Corona notes1” ( hier klicken >>> ) und „als Lato sich isolierte“ ( hier klicken >>>). Damals war alles diffus, ohne Struktur, wild und scheinbar mit wenig Perspektive versehen. Seine damaligen Skizzen und Bilder im Druckskizzenbuch sahen auch entsprechend aus: wild, ungestüm, geschmiert, gekritzelt, ohne festen Halt, strukturlos, suchend, getrieben,

Das hat sich jetzt geändert. Das,was momentan zu Corinna entsteht sind Linolschnitte und sie haben mehr Festigkeit, sind klarer, kontrollierter. Es gibt Überschriften: Krone/Corona und Lebensrad und Transformation und Skelett/Tod und Behälter und Triange und diversem Füllmaterial. Und das, obwohl die Situation was die Anzahl der Toten Infizieren anbelangt, um ein vielfaches schrecklicher ist als im Frühjahr.

Lange hat er an der Form der Darstellung „gebastelt“. Aber die ist nun in den letzten Tagen klarer geworden. Es entstehen zwei Druckskizzenbücher, Einzeldrucke auf dem Restepapier eines Ausstellungskataloges von Klaus Harth, zwei Tafeln mit Coronamotiven und ein Fries, der vielleicht noch zum Leporello werden kann – klingt alles ganz gut.

Ist so etwas überhaupt ein Thema für die künstlerische Beschäftigung? Fehlt da nicht der zeitliche Abstand? Der Blick aus der Megaperspektive? Ist das nicht noch viel zu nahe an einem dran? Eure Meinung würde mich interessieren. Für Jürgen hat die Beschäftigung mit dem Thema Corinna eine psychohygienische Funktion. Die jetzt entstehenden Arbeiten sollen helfen zu verstehen und ihm die kreative Lockerheit zurückgeben. Er möchte sich seine Gelassenheit bewahren.

Buchalov

30 Gedanken zu „corona notes: noch ein paar Sätze

  1. Aber genau das machen doch zeitgenössische Künstler*innen, Jürgen, die aktuelle Situation der Welt in ihrer Arbeit aufzeigen.
    Die Beurteilung sollte in 100 Jahren stattfinden. Manchmal ist die Kunst erst aus 100järiger Sicht zu begreifen.
    Liebe Grüße von Susanne

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    • Ja, Susanne, das stimmt wohl, aber ich habe einfach Bedenken, dass man, um eine tragende Aussage treffen zu können, eine die als künstlerische stark trägt, noch viel zu nahe dran ist. Der psychohygienische Aspekt bleibt davon unbenommen.
      Liebe Grüße

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        • Das Positionieren bereitet keine Probleme. Es soll jedoch eine Darstellung der Dinge geben, die eine inhaltlich – gedankliche Tiefe hat. Dafür bedarf es einer gewissen Distanz. Ich bin unsicher, ob ich die schon habe. Liebe Grüße

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        • Setz du dich mit dieser inhaltlichen Tiefe nicht selber unter Druck, Jürgen?
          Ist manchmal das Skizzenhaft, Spontane nicht tiefer als das lange geplante? Ich habe gerade das Gefühl, wir haben unsere Rollen vertauscht, sonst bin ich doch immer die, die alles bis ins Letzte Durchkonstruierende…….
          Liebe Grüße

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  2. Also mich hat Corona sehr viel auch künstlerisch beschäftigt. Ich finde, mittendrin in der Krise gibt’s andere Eindrücke als später, wenn’s vorbei ist . Warum sich nicht mit beidem beschäftigen? Oder doch nur eins davon? Liebe Grüße, Petra

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  3. Ich würde mich Susanne anschließen. Viele Künstler haben doch Themen ihrer Zeit aufgegriffen und nicht erst abgewartet, bis alles vorbei war. Ich kann mir vorstellen, daß du vielleicht später etwas überarbeitest oder anders siehst, aber daß ist jetzt und hier. Sehr spannend übrigens! LG

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  4. Lieber Jürgen, wenn es Dir hilft, dann hat es eine Funktion und macht Sinn, ob unser Tun und Schaffen im historischen Kontext sinn- und bedeutungsvoll ist, lässt sich i.R. erst a posteriori bestimmen. Für mich führten die vielen Corona Notes aus Deinem Blog eher zu der Überlegung, ob ich mich hier nicht vorrübergehend ausklinke, obwohl Kopf in den Sand mir normalerweise überhaupt nicht entspricht. Einerseits bin ich natürlich neugierig, wie andere an das Thema herangehen bzw damit ümgehen,andereseits empfinde ich es Belastung von noch einer Seite mehr mit dem Thema konfrontiert zu werden.
    Zeitgenössisch ist aus meiner Sicht nicht mit zeitgenössisch bisher zu vergleichen, denn nie konnte man eine Krise so global und live mit allen halbgaren neuen Erkenntnissen sekündlich verfolgen. Im Moment wieder ein Sturm schlechter Nachrichten,dazu graue Januartage ohne Perspektiven, ohne Aussicht auf all das, was sonst den Winter aufhellt, ich bin damit schlichtweg überfordert,und denke dass ich damit nicht die einzige bin (Und trotzdem lese ich jeden Tag auch zeitungsartikel, von denen ich schon vorher weiß, dass sie mir nicht gut tun werden)..Vieles davon empfinde ich als kollektives Grübeln, Gedankenkreisen , wenig zielführend dafür umso kräftezehrender, aber das kann und ist für dich offenbar ganz anders und jeder individuelle Umgang hat natürlih auf jeden Fall seine Berechtigung.

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    • Liebe Eva,
      Tja, genau, jeder hat so seine Art mit dieser Situation, die ja die Dimension eines großen geschichtlichen Ereignisses hat, kriegsähnlich, umzugehen. Der eine sucht seine Möglichkeiten im rationalen Vorgehen, der Nächste im Rückgriff auf die Bibel, der Dritte in Verschwörungstheorien, der Vierte im politischen Aktionismus, wieder andere im Ausblenden und so weiter. Man kann die Augen schließen, sicherlich, aber damit ist es nicht weg.
      Für mich ist die Beschäftigung in oben beschriebener Art eine Form des Standhaltens und der Reinigung, der Klärung, der Distanzierung, des Begreifens. Es baut mich auf.
      Ich wünsche Dir, auch wenn es Dir momentan etwas viel wird, einen Weg des Umgehns damit, der Dich eine zufriedenstellend Balance zwischen “informiert und nicht belastend” finden lässt.
      Liebe Grüße, schönes Wochenende,
      Jürgen

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      • Danke für die Antwort. Wenn du mich mit der Bibel meinst, die Auseinandersetzung auch mit biblischen Themen ist bei mir nichts, das aus der Coronakrise geboren ist, sondern schon sehr viel länger zurückgeht. Zum Glück lassen meine Versuche zu einem Glauben zu finden genügend Raum für Zweifel und Rationalität. Sehr interessant finde ich, dass ich mich immer öfter dafür verteidigen muss, (dabei meine ich nicht deine Antwort) Wenn man bedenkt, dass biblische Themen, über Jahrhunderte Hauptsujet der Kunst waren. Ich würde mich nicht darauf reduzieren lassen wollen , aber ich bin überzeugt, dass die Bibel so universal ist, dass sie auch dem modernen Menschen noch Stoff bietet.

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        • Liebe Eva!
          Ich wollte Dir nicht zu nahe treten und Dich in Rechtfertigungsdruck bringen. Wenn dem so war, tut es mir leid.

          Die Bibel ist sicherlich sehr breit angelegt und bietet mit ihrem Reichtum an Geschichten sicherlich in der Form der Bearbeitung solcher Narrative Möglichkeiten die aktuelle individuelle als auch gesellschaftliche Situation aufzuarbeiten. Das ist ein guter Hinweis, den ich mal bedenken werde, denn das finde ich wirklich interessant. Ist das kein Ansatz für Dich? Ich kann mich an vereinzelte Bibelzitate und Illustrationen von Dir auf Instagram erinnern, die in diese Richtung gehen.
          Liebe Grüße
          Bis bald,
          Jürgen

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        • Lieber Jürgen, das hatte ich bei dir auch nicht so empfunden (siehe meine Klammer) und fühlte mich dennoch ein bisschen angesprochen aufgrund von Kommentaren/Gesprächen aus ganz anderen Zusammenhängen . Ja es gibt auch in meinem Blog Arbeiten mit Bezug zu Biblischen, manchmal intendiert, oft entdecke ich sie aber auch erst später während oder nach dem Schaffensprozess. Ich nehme das als eine Überlegung verschiedener Ebenen des Seins/der Realität an. LG Eva

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  5. Lieber Jürgen, Kunst speist sich doch meist aus dem Hier und Jetzt, ob konkret oder unbewusst, selbst Vergangenheitsbewaeltigung trägt den Moment des Jetzts in sich, manches verstehe ich jetzt, das Selbe kann in ein paar Jahren einen neuen Blickwinkel hinzu bekommen.
    Mir gefällt besonders das Bild der Krone, die Strukturen bricht (das dritte Bild).
    Gelassenheit, ja, die brauchen wir und Psychohygiene sowieso.
    Liebe Grüße
    Ulli

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  6. Lieber Jürgen,
    mich lähmt das momentane Geschehen um das Virus eher, dabei wäre es gut sich damit auch maler- und zeichnerisch auseinander zu setzen. Ich finde es gut wie Du das machst.
    Liebe Grüße aus Berlin
    Gudrun

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    • Liebe Gudrun!
      Vielen Dank für Deine unterstützenden Worte. Wie schon geschrieben: es gibt viele Wege des Umgangs mit der Pandemie. Man sollte den seinen finden.
      Liebe Grüße, schönes Wochenende
      Jürgen

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  7. Aktuelle Themen sind mbMn immer ein Feld für Kunst, das ist eigentlich sogar Pflicht. Denn die entstandenen Ergebnisse entspringen der aktuellen ungefilterten Gefühlslage, weitestgehend ohne Einwirkung von außen ODER eben gerade umgekehrt, der von außen entstandenen Meinung, die selbst noch nicht bewertet ist.
    Man darf die Ergebnisse somit nicht auf die Seite legen, sondern diese sollten im Prozess bleiben.
    Diese Pandemie ist ein Prozess (vielleicht aber auch nur Mathematik), und das eigene Seelenleben ist es ebenso, und diese Verknüpfung (die es sicherlich gibt), kann man damit aufzeigen.
    Ich habe selbst im Frühjahr begonnen, meine Heimatstadt zu fotografieren, immer wenn ich unterwegs war, war die Kamera dabei. Für mich ist diese Auseinandersetzung damit auch ein Weg, weitestgehend sachlich damit umzugehen, auch wenn ich mich künstlerisch nun nicht wirklich damit auseinandersetze.
    Ob das in 50 Jahren von Interesse ist, darf mich hier nicht leiten, sondern ob des mir hilft.
    Und wenn wir die Möglichkeit haben, uns damit zu beschäftigen, vielleicht ist das eine der besten Formen von Lebensqualität.
    LG aus dem zu Hause sitzenden ehemals wilden Süden.

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    • Vielen Dank für Deine Antwort. Sie hilft mir weiter.
      Ich glaube, dass dazu passende Wort ist „Selbstvergewisserung“. Ob man mit der Kamera durch die Gegen streift oder Linolschnitte schneidet: es geht immer um die Selbstvergewisserung, die Standortfindung, in der jeweiligen Sache. Was hat das noch mit mir zu tun? Was berührt mich da? In wie weit betrifft das mich? Vielleicht ist das sogar Kunst im beuysschen Sinne der sozialen Plastik.
      Liebe Grüße
      Jürgen

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      • Schon alleine die innerstädtischen Wegeführungen sind verändert, man erlebt neue Blickwinkel und mit Holzplatten zugetackerte Häuser. Da passt das schon mit Beuys.
        „Selbstvergewisserung“ ist super, Merk ich mir.
        HG!

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    • was ich sehe

      eine afrikanische kette
      aus flachen steinen,
      im schwingen
      ein weihrauchgefäß.
      bin feuer und flamme
      für farbe und glut.

      wärme fliegt herüber,
      vögel sitzen
      akkurat wie aufgespießte
      insekten in der schauvitrine
      aus orange und schnee.

      alle blicke sind einseitig
      gerichtet, hypnotisiert
      oder betäubt vom glimmen
      der kohle, vom geruch
      heiliger kräuter.

      b. d.
      [das erste bild]

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      • Vielen Dank für Deine literarische Ergänzung. Es freut mich dass ich Dich inspirieren konnte.
        Und was bleibt bei mir hängen: der Weihrauch, die heiligen Kräuter und Feuer und Flamme. Aber frage mich bloß nicht warum.
        Danke Dir, Liebe Grüße
        Jürgen

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  8. Pingback: da kam ein Gedicht geflogen | BUCHALOVS BLOG ••••••••

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