


Buchalov |
Ich als Buchalov sehe das so: Die Transformation, das ist zum einen ein Thema. Und im Thema werden Motive, Gegenstände, Bilder, Skizzen, Zeichnungen, Fotos und Ähnliches zum Gegenstand der Umwandlung in einem kreativen Schaffensprozess im Atelier. Jürgen läßt sich da von Formen, Farben, Konturen, Kompositionen, Arrangements, dem Zufall, verschiedenem Material und und und anregen.
Die Transformation ist aber zum anderen ein grundlegendes Prinzip des künstlerischen Handelns. Ich habe Jürgen die Kommentare von gestern gezeigt und ihm ans Herz gelegt nicht nur über kreative Aspekte bei seinem Thema „Transformation“ nachzudenken, sondern auch die Klärung der Begrifflichkeit von „Wandlung, Verwandlung, Metamorphose und Transformation“ in den Blick zu nehmen. Bei einem solchen Aspekt der „Transformation“ geht es um das Bewusstsein des Künstlers und die Frage, ob Kunst generell das Bewusstsein verändern kann. Und ob sie darauf intentional ausgerichtet sein soll. Dahinter steht natürlich ein bestimmter Kunstbegriff. Und zudem verbindet sich damit auch eine Art der Kunstproduktion, die mit dem Zufall, der Spontanität arbeitet, situativ und intuitiv ausgerichtet ist, also spielerisch transformativ unterwegs ist.
Jürgen hat heute jedenfalls im teilweisen Rückgriff auf alte Druckplatten und ein neues Arrangement, eine neue Kompostion, den Transformator und seine Beziehung zur Energie auszuloten versucht. Er bezog sich dabei auf seine schon vorher gestellte Frage, woher denn die Energie im Rahmen der Transformation komme?
Und Jürgen hat sich weiterhin an die Frage herangetastet wie die Transformation den Kern einer Sache, eines Dings, verwandelt. Oder eben auch nicht. Momentan neigt er zu der Annahme, dass jede Sache einen Kern beherbergt, und dass der bei der Transformation erhalten bleibt. Aber sicher ist er sich nicht.
Und Hermann, der Vernetzer, der heute zu Besuch im Atelier war, wusste auch keine Antwort. Sie haben über dieses und jenes geplaudert, über fehlende geistige Tankstellen in Zeiten von Corona, über die Kommunikation und Projekte im Netz als Alternative zu realen sozialen Kontakten, über die gesellschaftlichen Transformationen im Zusammenhang mit der Pandemie und über eben diesen Kern: des Pudels Kern, den Aprikosenkern und über den Kernel im Computer.
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Susanne Haun hat Jürgen folgenden Satzanfang geschickt: „Ein Dorf ohne Baum, …“ Dieser Satz ist Teil ihres gemeinsamen Vorhabens „projektohnenamen“. Auf Instagram ist da einiges unter @juergenkuester_buchalov zu sehen:
„Dorf ohne Baum“: was ist das denn? Assoziationen kamen da auf: ist das ein Dorf mit fehlendem Maibaum? Ist solch ein Dorf eine Stadt? Ist mit dem Dorf ein Mann gemeint, dem etwas fehlt? Hat das irgendwas mit diesem momentan so überstrapazierten Thema „Heimat“ zu tun? Steht der fehlende Baum für die Klimakathastrophe? Wie soll man darauf humorvoll antworten? Das waren Jürgens spontane Äußerungen in meine Richtung als er das las.
Da bliebe dann eben nur der Hinweis auf die „Baumschutzsatzung“, sagte er. Schreckliches Wortungetüm, aber in manchen urbanen Bereichen ein durchaus sinnvolles Unterfangen zum Schutz der Bäume. Also hat er ergänzt mit: „…da fehlte im Ort bestimmt eine Baumschutzsatzung“.
Damit ist er dann ins Atelier gezogen. Und nachdem der Probe-Druck stand, überkam Jürgen wohl ein Anfall von digitalem Spielen. Also hat er auf seinem iPhone mit einer Gestaltungsapp und dem Photo des Abdrucks herumgespielt. Was natürlich zur Folge hat, das eine Vielfalt von Ergebnissen entstand und er auswählen musste. Übrig blieb dann das hier:
Als Ganzes lautet der Satz nun so: Ein Dorf ohne Baum: da fehlte im Ort bestimmt eine Baumschutzsatzung.
Für Susanne hat Jürgen nun folgenden Satzanfang: Mir wachsen Flügel, glaube ich, denn …
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Antje und Jürgen vertragen sich gut und sie arbeiten gerne zusammen. Immer wenn ich die Beiden zusammen sehe, spürt man ihr gemeinsames Verständnis füreinander.
Antje ist Malerin. In letzter Zeit hat sie auch einiges im Linoschniit versucht. Und sie weiß, dass Juergen Restepapiere liebt. Damit arbeitet er gerne. Sie sind beim Bedrucken ziemlich unkalkulierbar und zeigen viel Energie. Sie geben den Bildern Lebendigkeit. Es sind einfach gute Hintergründe, findet er.
Antje hat ihm einige ihrer nicht mehr verwendeten Papiere beim letzten Treffen in Wachtendonk geschenkt. Und Jürgen hat sich sehr gefreut und sie tags darauf zum Einsatz gebracht. Er hat seine Schatten drauf gedruckt.
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Jürgen hat Restepapier gefunden im aufgelösten Atelier nebenan, Bleistiftportraits aus einem Zeichenkurs der Kollegin, und er hat Skizzen von Eva Hesse in irgendeinem Kunstbändchen im Atelier herumfliegen sehen. Auf Beidem wurde nun gedruckt. Jürgen sucht wohl nach Wirkungen, Überraschungen, nach schrägen Blicken.
Die Portraits strahlen schon etwas Bedrohliches aus. Na ja, da muss er nun durch. Die Drucke auf die Bleistiftzeichnungen von Hesse sind ihm da näher. Ihm ist wohl momentan nach Harmonie. Keine Brüche bitte! Auch gut.
Das waren die nächsten Schritte, und sie fallen unter den methodischen Versuch des Spielens. Ja, Jürgen hat rumgespielt.
Er sagte zu mir, dass sich nun die Frage nach der Sprossung stelle: wo und wohin soll es als nächstes in diesem Themenbereich gehen.? Na ja, Jürgen sah wie sie da so hingen, die einzelnen Drucke, da kam ihm wieder das Serielle in den Sinn, diese Reihung von Motiven. Dabei entstehen Muster, die an Stoffe erinnern. Und ein Gespräch mit Martina über Rapporte und Stoffe und Muster.
Aber auch Rita kreist in seinem Kopf, die die Frage stellte, wer denn von uns Beiden der Zwilling sei, Buchalov oder Jürgen, oder der Schatten. Das deutet in Richtung verdoppelter Portraits. Mal schauen, wo er landen wird.
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Herumstöbern, im Atelier am Ostwall, von Raum zu Raum, fast wie getrieben, suchen, auf den Zufall bauend, in alten Papieren blätternd, sortieren, Blätter intuitiv auswählen: so erlebe ich Juergen momentan. Planvoll geht er nicht vor. Er läßt sich treiben, vertraut auf den Instinkt und die Erfahrung und verbrämt das mit dem Satz, „das er prozesshaft unterwegs sei“. Alles Quatsch: Juergen versucht da etwas in den Griff zu bekommen, Bilder zu finden, Bilder für Corona, die ihm weiterhelfen in seiner Betroffenheit. Ein Thema ist dabei „die Energie“.
Ich durfte wieder einen Blick in sein digitales Notizbuch werfen. Da steht, skizzenhaft:“Energien treiben uns an, in allem, mit der Krise ist ein großer Aufwand an Energien und ihrem Verbrauch verbunden, Krisenbewältigung kostet Kraft, der energetische Kampf ist körperlich und geistig, Energie verpufft nie, sie ist ewig und verändert ihre Form und Intensität, aber nicht ihre Existenz, sie ändert die Anwesenheit an bestimmten Orten, sie ist ortsbezogen, der Lebenswille ist eine sehr starke Energie, liegen Seele und Energie nahe beieinander?“ Vier Motive als Linolschnitte sind entstanden und wurden in diesem Themenbereich auf alten, verworfenen Papieren zusammenmontiert. Buchalov
Auch hier wieder das Gleiche, wie schon in den Tagen zuvor: getrieben, von was auch immer, durchstreift Jürgen sein Atelier, auch seine Gedankenwelt, und konzentriert sich diesmal auf die Last, die in der jetzigen, besonderen Situation auf uns lastet. Rhizomartig zeichnet er, sucht er, kombiniert, sortiert, verläßt sich auf den spontanen Impuls und versucht etwas anzuhäufen, das seinen Ansprüchen und Vorstellungen standhält. Ein zentrales Bild dafür ist „Atlas, der Titan“.
Einige weitere Variationen sind entstanden. Ich darf sie unsortiert zeigen:
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„Der Tag der Druckkunst“ in Viersen wurde vom Virus gefressen. Dagmar und Juergen mussten ihre Veranstaltungen absagen.
Beide sollten zudem, so der Plan, an den zwei Orten auch einige ihrer Arbeiten zeigen. Juergen hatte sich für das Thema „Seelenkästen“ entschieden. Jetzt hat er mich gebeten Teile von dem, was er da rausgesucht hatte, und was schon vor Jahren entstanden ist, hier im Blog zu zeigen. Mache ich natürlich gerne, denn besser hier als gar nicht.
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Keine Frage: Juergen hat sich gelangweilt. Er ist durch die Ateliers der Ateliergemeinschaft in Geldern „gestromert“, hat zu dem einen oder anderen Fenster rausgeschaut, und landete im gemeinsamen „Raum fürs Grobe“, da wo die Werkbank steht und die Maschinen auf ihren Einsatz warten. Dort hat er den Müll durchsucht und eine bemalte Pappe gefunden. Die Malgruppe von Andrea entsorgt da schon mal einiges. Mit dem Cuttermesser hat er seinen Frust an diesem Stück ausgelassen, es zum Druckstock erklärt und heute dann abgedruckt. Zuerst hat er sich gefragt, was da geschehen und was da entstanden ist. Aber dann hat er zusätzlich gezeichnet und das Gedruckte ergänzt.
Und jetzt weiß er es: er hat aus dem Fenster gesehen. So kam es ihm jedenfalls vor. Das, was er da zu Papier gebracht hat, hat er gesehen als er aus dem Fenster schaute. So stellt er sich das jedenfalls jetzt im Nachhinein vor. Damit hat Juergen den Titel gefunden. Jetzt sucht er noch eine Präsentationsform, die ihm zusagt.Buchalov