Wenn man den Punkt erreicht hat, dann hat man ihn erreicht. Dann weiß man, dass jetzt Ende ist. Das gilt auch für „on stage“ – jetzt. Das Projekt ist im Ziel.
Zeit für einen Rückblick:
es wurden Bühnen gebaut und Bühnenformen erkundet, mit den einfachsten Materialien: Zeichnungen, Drucken, Restepapier, Karton.
Auf einigen der Bühnen wurden Zwickelformen präsentiert und fotografiert (Altglasfotografie). Diese Zwickelformen lagen vor, es war ein Zugriff auf schon vorher entwickeltes Material.
Mit den iPhone wurden dann Stopmotion – Filme aufgenommen, die Zwickel auf der Bühne in Aktion zeigten.
Der Zuwachs an allem möglichen an verwendbarem Material aus dem Umfeld des Ateliers nahm große Ausmaße an. Alles konnte Verwendung finden – von der Kaffeetasse bis hin zu Rentenpapieren. Und die Erkenntnis: alles kann Verwendung finden und findet sich zufällig und macht Sinn und erzeugt Wirkungen.
In der Vorbereitung hatte sich Fragen angehäuft, verbunden mit Handlungsvorschlägen, die Lösungen anbahnen konnten. Auf sie wurde zu Anfang zurückgegriffen. Dann lief es von selbst. Es war wie immer. Rhizomartig. Aus dem Prozess heraus. Zufällig.
Es gab eine Abschlussarbeit, wie bei einer Prüfung, selbstauferlegt und sehr schulisch.
Jürgens ist immer wieder erstaunt, welch großen Kreise er mit dem zieht, was er so veröffentlicht. Man erzeuge Wirkungen, die man oft gar nicht kenne, manchmal erahne und bisweilen auch konkret erfahre. Das sagte er zu mir gestern.
Die Idee, die dahinter stand war die, dass die Knickfalten ja Linien sein könnten und in ihrer Häufung vielleicht ein Netz ergeben. Und das zu erfassen und darzustellen: dies war die Aufgabe.
Ich habe ihn dabei beobachtet wie er das angestellt hat. Er hat aussortierte, gefaltete Papierobjekte wieder in den zweidimensionalen Zustand transferiert und die Linien mit dem Cutermesser herausgeschnitten. Der Zufall hat dann einen Teil übernommen, und Jürgen war derjenige, der das Gesamte anschließend bewertet hat. Das heisst konkret: Einiges landete an der Wand, der Rest im Mülleimer.
„Ist der Blick einmal geschärft“, so sagte Juergen zu mir, „dann sieht man die Faltungen im Täglichen ständig. Und das gilt ja für vieles.“ So hat er in den letzten Tagen einige Fotos mit seiner Altglaskamera in seiner privaten Umgebung geschossen, ohne das er im Atelier aktiv war. Und Falten läßt sich ja überall.
Heute im Atelier dann gab es zwei Punkte, die besonders hervorstachen: Jürgen hat versucht einige der Grundformen, die er schon an den Tagen letzte Woche gefaltet hatte, zu verdoppeln. „Der Schatten ist der Zwilling“ ließ grüßen.
Und er hat sehr bewußt aus den Restepapieren die ausgewählt, die mit ihren Oberflächen dominant und präsent daherkamen. Denn er ahnt, dass dieser Zusammenhang von Oberfläche bzw. Motiv und den Faltungen etwas Zentrales ist und über die Qualität der zukünftigen Arbeiten entscheiden wird.
Es gab aber auch ein „Aber“: Jürgen schien mir nicht so recht zufrieden, denn die Ergebnisse entsprachen nicht dem gedachten Weg, sie waren eher Zufallsergebnisse. Aber was lamentiert er denn: Jürgen setzt doch immer auf den Zufall. Das habe ich ihm dann auch gesagt.
Für Juergen und mich war es heute der offiziell erste Tag zum neuen Thema: Faltungen, Faltungen, Faltungen. Wir sind durchs Atelier geschlendert, haben versucht alle die Werke einzusammeln, die Spuren von Faltungen aufweisen – ein paar wenige fehlennoch – und haben sie dann fotografiert und anschließend an die Präsentationswand gehängt. Das war der Einsteig. Nichts, was weltbewegend war, uns aber eingestimmt hat. Es war der Anfang. Es war wie ein treiben lassen in der Zeit. Einen genauen Plan gibt es ja nicht, nur Fragen und mögliche Handlungsanweisungen. An denen orientiert sich Jürgen im Moment aber noch nicht allzu sehr. Dieses Treibenlassen habe etwas Beruhigendes meinte er.
Ach ja, mehrere kleine Hexentreppen haben wir ebenfalls gefaltet. Die kennt Jürgen noch aus seiner Kindergartenzeit. Er hat bewußt kleine Papierstreifen gewählt, die noch Spuren von Motiven zeigten. Na ja!
Faltungen ist das Thema: Hier gehören heute und jetzt die Fragen hin, die Jürgen beschäftigen. Er geht immer von solchen Fragen aus, sucht Handlungsanweisungen, die etwas klären könnten und steigt dann in sein Thema ein. Ich lasse Euch gerne teilhaben.
Ihr dürft Euch gerne bedienen- er bittet ausdrücklich darum, denn ein gemeinsames Vorgehen bereitet einfach mehr Freude und fördert den Austausch.
Hier die Fragen und Anweisungen – vielleicht hat jemand Interesse daran ebenfalls einzusteigen, wie gesagt: bedient Euch, setzt um, was Euch anspricht, er würde sich freuen:
Was erhoffe ich mir in der Beschäftigung mit diesem Thema? Streife durch Deine Atelierräume und sammle alle Papiere zusammen, an denen du Faltungen vorgenommen hast und versuche dich zu erinnern, warum du dies getan hast. Zeichne dazu ein Gedankenprotokoll. Zudem kannst Du mit Deiner Kamera eine Reise durch die Räume vollziehen, die du bewohnst, Faltungen suchen und sie fotografisch dokumentieren. Eine Weiterverarbeitung ist sicherlich in Form eines Journals scheint sinnvoll.
Woher kommt die Faszination für Faltungen? Es scheint unabdingbar, dass eine Reise in die Vergangenheit notwendig wird. Es gilt den Prägungen zum Thema auf die Spur zu kommen, indem man alphabetisch fortschreitend nach Erinnerungen im Zusammenhang von Faltung und Papier sucht und sie als Zeichen-Stichwort notiert.
Welche Faltungen kenne ich aus meiner Kinderzeit?
Mache eine Gedankenreise und falte mit Restepapier, an was Du Dich erinnerst. Als zweite Möglichkeit könnte man Papierflieger, Drachen, die Hexentreppe, Himmel und Hölle, die Ziehharmonika und Schachteln falten und in einer eingerichteten Fotoecke fotografieren.
Gibt es Grundtechniken der Faltung? Im Atelier liegt ein Buch zum Thema „Basteln mit Papier“ und eine Internetrechersche zum Thema Origami oder Faltungen in der Architektur gibt vielleicht auch Hinweise. Sammle die Informationen in einer Datei und wende das Gelesene experimentell an.
Welche Auswirkungen haben Faltungen auf ein Motiv? Erstelle eine Versuchsanordnung. Wähle dazu zwei Motive aus, ein flächiges und eines mit vielen Linien, kopiere sie und nimm Faltungen vor. Beginne einfach. Fasse die Ergebnis in einem Journal zusammen, in welchem die Ergebnisse eingeklebt werden.
Welche Faltungen kenne ich? Gehe durch deine Räume und schaue Dir Werke an, die durch Falten entstanden sind oder an denen Faltungen vorgenommen wurden. Schneide spontan die Faltlinien als Netze in Holzplatten und drucke sie.
Was bewirkt ein Knick, oder auch mehrere, auf einem Stück Papier? Nimm verschiedene Blätter -, dünne, große, kleine, blanko, bedruckt, beschriftet, bezeichnet – und vollziehe einen Knick oder mehrere. Arbeite möglichst frei. Fotografiere das Ergebnis oder klebe ein Papierobjekt oder einen Fries. Oder setze einzelne der Ergebnisse in offene Pappschachteln.
Was soll die Faltung nicht bewirken? Wenn du am Ende des Projektes angelangt bist, dann sortiere die Werke aus, die Deinem Anspruch absolut nicht entsprechen. Begründe! Gib ihnen eine andere Wertigkeit, indem Du sie fotografisch in einem Heftchen bündelst.
Wie verändert eine Faltung das zweidimensionale Blatt und die Motive darauf? Dies ist eine Vorher- Nachher Situation. Falte Papier und finde jemanden, der den Prozess und das Ergebnis mit seinen Mitteln beschreibt.
Wie wirken Faltungen und Licht aufeinander? Wie verändert sich die Zweidimensionalität? Baue Dir eine Fotoecke aus weisem Papier mit einer oder mehreren Lichtquellen und fotografiere Faltungen vor weißem Papier. Schicke die Ergebnisse Deiner bildhauerischen Arbeit einer bildhauerischen interessierten Person zur Stellungnahme oder Weiterverarbeitung. Es gibt viele mögliche Formen der Stellungnahme. Es geht um den Dialog.
Was verbindet Faltungen und Netze? Im praktischen Tun gibt es vielleicht Antworten: Falte, gezielt oder zufällig, entfalte und dokumentieren die vorliegenden Netze zeichnerisch, fotografisch und druckgrafisch. Klebe zudem die entfalteten Papiere zusammen.
Wie bringe ich Faltungen und Restepapier zusammen? Fische mit geschlossenen Augen fünf der größten Blatter aus dem Stapel an Restepapier und falte eine Hexentreppe, eine Schachtel, ein Dach, ein Kanu, eine Ziehharmonika, einen Zylinder und eine freie Figur und vereine sie zu einem Ganzen.
Wie bringt man dass zusammen: Holzschnitt und Faltung? Es wäre zu klären, welche Schnittstellen diese beiden Begriffspaare haben. Ziel, Inhalt, Methode, Organisationsform sind Oberbegriffe, die etwas strukturieren können – sie haben dir im Leben bei Vorträgen oder Zusammenfassungen stets geholfen. Nutze sie jetzt und arbeite theoretisch daran, anschließend praktisch.
So, meinte Jürgen: Jetzt machen wir mal einen Punkt und legen am Wochenende einen kleinen Zwischenstopp ein. Der Gartenzaun von Eden steht nun schon mehr als eine Woche. Eden nahm also in den vergangenen Tagen Form an – auf der Wand in Jürgens Atelier jedenfalls. Und in den Bildern vom Zentrum der Utopie.
im Inneren der Utopie
Es ist wie immer: an der Wand wurde gesammelt, was so im Laufe der Zeit entstand und was das Thema produzierte . Gezeigt wird nicht alles, aber eine wichtige Auswahl. Und bei Eden3 hatte Jürgen mit der Einfriedung begonnen und auch schon mal den Geist/Gott links mit ins Spiel gebracht. Hinzugekommen sind weiterhin eine Auswahl der andern Dinge, die im Laufe der Wochen entstanden sind. Und die Wand sieht momentan so aus:
Und ab Freitag startet über das Wochenende – als kleine Abwechslung – das Zwickelbüro.
Wenn die Zeit, die Ganzheitlichkeit, die Natur und die Freiheit der Kern seines momentanen Garten Edens seien, so Jürgen, dann müsse es dafür doch auch Bilder geben. Er habe ein wenig in der griechischen Mythologie herumgestöbert, sei da auf einige Göttergestalten gestoßen, deren Portraits ihm als Visualisierung dienen sollten. Wie Jürgen schon schrieb: Chronos ist dabei die Personifizierung der Zeit. Rhea ist die Göttin der Natur, die große Erdmutter. Themis steht als Göttin für Gerechtigkeit, Sitte und Ordnung, für das Ganzheitliche. Und Artemis mit ihrem Beinamen Eleutheria ist die Göttin der Freiheit und der Jagd.
Aber er hat das Unterfangen wieder verworfen – irgendwie zündete das nicht. Übrig geblieben sind aber ein paar Skizzen, die vielleicht noch eine Fortführung finden.
Das läßt ihn nicht los: dass die Begriffe Eden und Utopie so viel miteinander zu tun haben. Und dass Eden sich vielleicht auch als Turm darstellen läßt, der in seinem Inneren das birgt, was Eden ausmacht. Und mit seinen Mauern beschützt. Und das beinhaltet für Jürgen dann alles das, was er so mit dem Paradies verbindet.
Und dieses Innere der Utopie füllt sich so langsam: es ist die Zeit, die Ganzheitlichkeit, die Natur, die Freiheit – das sind Jürgens Stichworte.
Hier ein Kommentarbeitrag zu der Frage von Susanne Haun, ob das ewige Leben, so wie es sich hinter der Formulierung von der Bedeutungslosigkeit der Zeit in Eden verbirgt, erstrebenswert sei. Dieser Kommentar hilft vielleicht bei der Klärung, was denn das Paradies sei.
„Ich denke jetzt mal so vor mich hin: Wenn wir im Paradies leben, im Garten Eden, leben wir in einem anderen Zustand als dem momentanen. Dann hat Zeit keinerlei Bedeutung mehr und ein ewiges Leben ist möglich. Es ist ein anders Leben als das jetzige, denn auch die anderen Bedingungen greifen: Ganzheitlichkeit, also ein Leben ohne Körperliche Einschränkungen, die Absolutheit der Freiheit, der Einklang mit der Natur. Das Leben wäre dann nicht mehr ziel – und sinnorientiert wie das jetzige. Diese Fragen würden sich nicht mehr stellen. Wir wären Teil eines großen Ganzen, ein ohne Störungen existierender Gesamtorganismus, dessen Sinn oder Funktion ein anderer ist. Oder gar keiner. So denke ich mir das. Im Moment. Als Utopie. Als Gedankenspiel.“
Und auch über die grieschicher Mythologie ist Jürgen bei der Frage, was den Eden ausmacht, gestolpert. Es sind im Besonderen die Göttergestalten Chronos, Rhea, Themis und Artemis. Chronos ist die Personifizierung der Zeit. Rhea ist die Göttin der Natur, die große Erdmutter. Themis steht als Göttin für Gerechtigkeit, Sitte und Ordnung, für das Ganzheitliche. Und Artemis mit ihrem Beinamen Eleutheria ist die Göttin der Freiheit und der Jagd. Aber für diesen ganzen Komplex gibt es hier unter uns sicher kompetentere Spezialisten als Jürgen einer ist. Aber der Gedanke, das man den Inhalt dieser Utopie, das Wichtigste vom Garten Eden, personifiziert darstellen kann, ja diesen Gedanken findet Jürgen schon spannend. Mal schauen, was er daraus macht. Ob er überhaupt was draus macht!