„Mal schauen, was ich vor die Linse bekomme.“ Das war wohl Jürgens Gedanke als er zum „Hoogen Dyck“ fuhr. Ich war dabei. Angekommen blieb uns nicht viel Zeit, den Ratz Fatz war der Regen da und die Fotoausbeute sah dann so aus:
Buchlov
Dieser Wirtschaftsweg mit dem Namen „Hoogen Dyck“ ist der Ort, um den sich Jürgen jetzt als nächstes besonders kümmern wird. Das ist sein neues Thema.
Normalerweise ist er ja jetzt mit dem Wohnmobil unterwegs und arbeitet mit seinen Ortsmarken, den Fundstücke vor Ort, die er abbildet und bearbeitet. Die Pandemie macht diese Art des Reisens momentan unmöglich. Deshalb liegt jetzt der Focus auf einen Ort, auf eine Stelle, hier vor Ort, dort, wo Jürgen und ich leben.
Auf seinem Rechner hat er das Bildmaterial, das er schon vom Hoogen Dyck besaß, zusammengefasst, und ich darf heute schon mal einiges zeigen: die Strasse, den Anfangspunkt/Endpunkt dieses Weges und erste Skizzen.
Es gibt keinen Plan. Es gibt keine Zeitvorgaben. Es gibt aber eine Methodik, die Jürgen bevorzugt, die des rhizomartigen Vorgehens. Und es gibt das Schaufenster WordPress, Instagram und Facebook, wo die Ergebnisse gezeigt werden. Und was ist mit den Ausstellungen?, habe ich ihn gefragt. Auch möglich, meinte er, aber dann müsse schon jemand an ihn herantreten. Selbstorganisierte Ausstellungen seien ihm aktuell zu aufwändig, kosten einfach zu viel Kraft und der Aufwand stehe mit dem Ergebnis oft nicht im rechten Verhältnis. Die Frage stelle sich ja generell.
Etwas Neues startet.
Buchalov
Die Beschreibung eines Ortes, eines Ortes, zu dem Jürgen eine besondere Beziehung hat: das könnte das nächste Thema sein. Und es würde darum gehen diese Beziehung zeichnerisch und fotografisch und irgendwie gestalterisch zu dokumentieren oder zu beschreiben. Diesen Ansatz hat er schon mehrmals verfolgt, auf seinen Fahrten. Mit den Orten und deren Umkreisen hat er es nämlich. Momentan wird aber nicht gereist, also könnten es auch Orte von hier am Niederrhein sein. Meinte Jürgen.
Drei Orte stehen auf seiner Liste:
das Altes Wasserwerk in Wachtendonk: Hierzu wäre denkbar sich mehrere Tage in dieses Gebäude mit dem weitläufigen Gelände zurückzuziehen, und wie ein Eremit das Gesamte auf sich wirken zu lassen. Hier könnte man ungestört arbeiten. Das ist praktisch möglich, da man das Gebäude für kreative Aktionen anmieten kann. Das gefällt ihm sehr. Einen Titel für das Ganze hat er schon: I have never been in the Altes Wasserwerk before.
der Hoogen Dyck, ein Wirtschaftsweg am Rande von Kerken an der Grenze zu Wachtendonk: Auch das hat einen großen Reiz, einen sehr großen sogar, denn hier geht er oft entlang, hier ist er seit einem halben Jahr ständig kurz anzutreffen, hier ist der Wald, die Natur im Großen und Kleinen, hier sind die vielen Hunde mit ihren Besitzern, hier sind die Menschen, die Spazierengehen, hier ist das Paulsenkreuz, und es existieren schon einige Photos, die er hier geschossen hat. Das Arbeiten vor Ort wäre etwas schwieriger zu organisieren, aber machbar. Der Titel des möglichen Vorhabens steht auch schon: Hoogen Dyck notes.
Und das kleine Waldstück mit den Bienen, das sein Freund Hajo bewirtschaftet: Auch hierhin fährt er gerne mit dem Fahrrad und schaut über den Zaun oder geht mit Hajo direkt zu den Bienen und wildert im Gelände des Waldes herum. Das Arbeiten vor Ort wäre etwas schwierig. Arbeitstitel für dieses Vorhaben könnten sein: im Wald oder bei Hajos Bienen oder Parzelle Hajo.
Buchalov
Jürgen ist durch sein Atelier gestrolcht. Das Wort strolchen hat er letztens auf einem Blog gehört und es gefällt ihm für die Aktion, bei der man sich so einfach ohne Plan in der Gegend oder einem Areal herumtreibt. So wie er.
Gefunden hat er dann einen Ausstellungskatalog von Klaus Harth, Landtag Saarbrücken, Jahr 2011. Den hat er von ihm auf einer der Buchalovs Touren geschenkt bekommen. Und Den hat er zerschnitten, die Einzelblätter sortiert – was springt mich an und passt zu meinen Motiven – so irgendwie – und dann bedruckt, mit seinen Linolschnitten. Klaus Harth hat sein Einverständnis zur Veröffentlichung gegeben. Jürgen meinte zu mir, das Klaus ein feiner Kerl sei, guter Künstler und ein Freund von Collaborationen, genau wie er. Hier einige Überdruckungen:
Jürgens Frau meinte letztlich, dass sie den Begriff Collaboration nicht möge. Der habe so etwas militärisch – kriegerisches. Damit wären wir beim Thema der Bedeutung von Begriffen und wie sie sich unter gesellschaftlichem oder mit Hilfe anderer Kräfte verändern. Aber das ist ein anderes Thema. Hier noch ein paar Bilder.
Buchalov
Also, meinte Jürgen. Jetzt wolle er noch einmal in einem letzten zusammenfassenden Akt alle Stichworte zu Thema „Corona“, die ihm so in den letzten Wochen über den Weg gelaufen seien, auflisten. Das gebe die thematische Gemengelage, die seltsamen Positionen, die befremdlichen Diskussionen und die Gereiztheit ganz gut wieder. Er jedenfalls sei ihm Moment vom Kopf her in seinen Postionen ziemlich klar. Mehr sei ja auch nicht beabsichtigt gewesen.
Buchalov
Zwei Kronen, altes Material, irgendwie altbacken, hat Jürgen in seinem Atelier gefunden. Die beiden Kronen haben auch schon ein paar Jahre auf dem Buckel und gehörten mal zum Thema „Blumenkönig“.
Und da er die Papierarbeiten auch immer gerne um etwas Plastisches, ebenfalls aus Papier ergänzt, ist ja genug im Atelier vorhanden, sind weitere drei Kronen entstanden. Sie gehören zu den „corona notes“.
Buchalov
Da gibt es eine Restepapierrolle – von wo auch immer, geschenkt wahrscheinlich.
Da gibt es einen langen Tisch.
Da gibt es den Versuch, das Papier auf diesem langen Tisch auszurollen und mit farbigen Kreisen zu versehen.
Und da gibt es am Schluss dann einen langen Papierstreifen, der alle wichtigen Linolschnitte zu „corona notes2“ enthält und der gefaltet zum Leporello werden wird – in den nächsten Tagen.
Buchalov
Also, die Anzahl der kleinformatigen Linolschnitte habe ich nicht gezählt. Jürgen wohl auch nicht. Vielleicht hat er auch den Überblick verloren. Bestimmt! Denn wer zählt, hat einen roten Faden. Und Halt. Und den hat Juergen bei diesem Thema momentan nicht. Stattdessen experimentiert er, denkt viel nach, liest einiges, hört manches und spielt mit dem Material herum.
Auf zwei Wandtafeln verteilt – er nennt das so, weil es ihn an die Wandtafeln in der Schule erinnert, die mit dem Rundholz oben, an einer Kordel aufgehängt – auf zwei Wandtafeln also hat er die wichtigsten Motive aufgedruckt. Das Papier war mal wieder Restepapier aus seinem großen Papierhaufen, der rechts hinterm Eingang im Atelier liegt.
Buchalov
Es ist so: Ein altes Heftchen, meist von Ausstellungen, oder diverse andere Kunstkataloge, so etwas nimmt Juergen, färbt es mit Acylfarbe Seite für Seite ein, und dann druckt er mit seinen Holzschnittresten oder den Linolschnitten Motive dort hinein, Tusche kommt ebenfalls zum Einsatz und ein Panoptikum an Motiven entsteht. Zu einem Thema oder Vorhaben. Wild und ungezügelt, ohne ästhetischen Anspruch. Ohne Plan!
Damit ließe sich, wenn man wollte, weiterarbeiten. So Juergen. Das sei wie ein Skizzenbuch. Recht hat er.
Er nennt diese Heftchen daher „Druckskizzenbuch“. Das Neueste hat er zu seinen „Corona notes“ erstellt. Hier einige Bilder aus dem Inhalt:
Buchalov
Es bleibe dabei: zeichnen und drucken und fotografieren und lesen führe zur Klärung, mache den Kopf klar und kanalisiere das, was in der Pandemie so unfassbar sei – von der Verzweifelung, den Zweifeln, den Verschwörungstheorien bis hin zum Blick auf die Weidenkätzchen. Ab sofort, so sagte Juergen mir, werde er alle zukünftigen Arbeiten in diesem Zusammenhang, andere Arbeiten wird es sicher auch geben, unter dem Arbeitstitel “corona notes” laufen lassen. Er wolle einfach freier arbeiten – nicht so eng an diesem momentan alles bestimmenden Thema und den Bogen dabei einfach zeichnerisch und drucktechnisch, auch fotografisch, weiter schlagen – Irrweg und Zufall mit eingeschlossen. Alles, was bisher in diesem thematischen Zusammenhang entstanden ist, auch seine Tagebuchzeichnungen von Tag 1 bis 14, werde er dort natürlich subsumieren. Am Ende stehe dann vielleicht etwas mehr Klarheit und ein selbstgebundenes Buch. Oder seine Wand im Atelier – neu gestaltet. Mal schauen!
Buchalov
P.S. Und andere Themen gibt es ja auch noch zuhauf, zum Glück!