





Wir sind im Juli mit dem Wohnmobil durch Dänemark und Schweden gefahren. Fotos und Zeichnungen sind dabei entstanden, natürlich!
Buchalov | https://www.instagram.com/juergenkuester_buchalov/
Wir sind im Juli mit dem Wohnmobil durch Dänemark und Schweden gefahren. Fotos und Zeichnungen sind dabei entstanden, natürlich!
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Da gibt es in Geldern einen Copyshop. Weit und breit sind die ja mittlerweile um uns herum fast alle verschwunden, und in dem Laden in Geldern rackert der Copyist Oliver: und zu dem geht Jürgen gerne. Denn es gibt immer was zu erzählen über die Kunst, die Musik und die Politik. Und dort läßt Jürgen seine kleinen Heftchen und Bildersammlungen binden.
Das hier ist das Neueste: Parzelle 268 again – die Fotos / ca. 100 Seiten.
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das Paulsen Kreuz
der Hochsitz
die Tische am Ende des Dyck
die dicke Wurzel
die OrtsMarke
die zweite OrtsMarke
Bei einer Frage nach dem Typischen dieses Ortes, der Hoogen Dyck ist exakt 1275 m lang, fielen Jürgen spontan diese Punkte ein. Er ist sich sicher, dass die Liste eigentlich länger ist. Er will mal genauer nachdenken und die Fotos durchschauen.
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Dieser Wirtschaftsweg mit dem Namen „Hoogen Dyck“ ist der Ort, um den sich Jürgen jetzt als nächstes besonders kümmern wird. Das ist sein neues Thema.
Normalerweise ist er ja jetzt mit dem Wohnmobil unterwegs und arbeitet mit seinen Ortsmarken, den Fundstücke vor Ort, die er abbildet und bearbeitet. Die Pandemie macht diese Art des Reisens momentan unmöglich. Deshalb liegt jetzt der Focus auf einen Ort, auf eine Stelle, hier vor Ort, dort, wo Jürgen und ich leben.
Auf seinem Rechner hat er das Bildmaterial, das er schon vom Hoogen Dyck besaß, zusammengefasst, und ich darf heute schon mal einiges zeigen: die Strasse, den Anfangspunkt/Endpunkt dieses Weges und erste Skizzen.
Es gibt keinen Plan. Es gibt keine Zeitvorgaben. Es gibt aber eine Methodik, die Jürgen bevorzugt, die des rhizomartigen Vorgehens. Und es gibt das Schaufenster WordPress, Instagram und Facebook, wo die Ergebnisse gezeigt werden. Und was ist mit den Ausstellungen?, habe ich ihn gefragt. Auch möglich, meinte er, aber dann müsse schon jemand an ihn herantreten. Selbstorganisierte Ausstellungen seien ihm aktuell zu aufwändig, kosten einfach zu viel Kraft und der Aufwand stehe mit dem Ergebnis oft nicht im rechten Verhältnis. Die Frage stelle sich ja generell.
Etwas Neues startet.
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Selbstbefragung – Zimmerreise – Fundstückuntersuchung – Quellenstudium: das hat Jürgen in den letzten Tagen alles vollzogen – kawumm, zomp, kawumm. Er bezog sich dabei auf seinen letzten Blogbeitrag zur „Zeit ohne Zeit“. Jürgen will ja klären, was es mit „Zeit ohne Zeit“ auf sich hat.
Die Selbstbefragung lieferte Ergebnisse, was Synonyme von Zeit anbelangte und das Gegenteil davon. „Zeit ohne Zeit“ könnte von daher vielleicht bedeuten: Zeitloch – punktuelle Zeit – Zeitschrumpfung – Freiheit der Zeit – time is only here – timeless – Zeitteufel – Punkt – verspätet – Zeitpunkt – Moment – Einzelfälle der Zeit. Das Punktuelle, das Zeitlose, das Löchrige sind bei Jürgen hängengeblieben und könnte Bilder liefern. Denn darum geht es ja: Bilder finden für das Begriffspaar „Zeit ohne Zeit“.
Die Zimmerreise erbrachte Hipstagramphotos von einem Uhrenziffernblatt und schattigem Licht auf Wänden.
Die Fundstückuntersuchung lieferte Skizzen und Druckstöcke von einem Uhrengehäuse, von einem Blasebalg, Zeitschichten und einer Zeitschleife.
Und das Quellenstudium hat ihm vor Augen geführt, das Einsteins Relativitätstheorie, die ihm Kenntnisse über die Zeit liefern sollte, im Moment seine Möglichkeiten des Verstehens übersteigt. Jürgen sagte, ihm fehlten einfach exakte physikalische Grundkenntnisse darüber, was Relativität, Masse, Raum, Zeit, Raumzeitkrümmung, Schwarzes Loch und und und sei. Hängen geblieben ist, dass offensichtlich die mit Lichtgeschwindigkeit durchs All Reisenden die Zeit überwinden können.
Soweit so gut. Jetzt soll das alles erst einmal in kleine Linolschnittdruckstöcke fließen.
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Eine Tour beginnt immer schon vor der Tour. So war es auch diesmal. Juergen suchte Tage vorher im Internet: Orte, Stellplätze, Personen, Berichte, Entfernungen, Namen und und und. Und Jürgen suchte Bilder: Bilder seiner Freunde, seines alten Gymnasiums, von Straßen, von Personen.
Und er habe bemerkt, so sagte er, dass das schon etwas mit ihm mache: Einstimmung, Erwartungen, Ängste, Planungen, Listen, Vorfreude, Spannung, Kribbeln – so etwas halt. aber eben angenehm, weil so eine eigene erwartungsfrohe Spannung entstanden sei.
Und er habe sich immer im Hinblick auf seine Reise gesagt: Sei offen, höre gut zu, nimm dir Zeit, sei einfühlsam für alles, auch das Befremdliche, baue Brücken zwischen Dir und den Anderen, lass Dir Zeit, schaffe Raum, lass die Dinge stehen, alles wird gut.
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Mittags sind wir eingestiegen und losgefahren: fahren, fahren, fahren, schauen, schauen, dazu die Musik, singen, laut singen, zuhören. Das sei es gewesen, denn das erste Ziel stand ja fest: Herchen an der Sieg. Eng ist es hier, unübersichtlich, keine offene, flache niederrheinische Landschaft.
Das ist der Ort, an dem sich für Juergen, so behauptet er immer, die Welt aufgetan hat. Der Junge aus der Hüttensiedlung des Siegerlandes hat hier die Größe der Welt zum ersten Male so richtig erfahren als er diese Schule besuchte. Sein altes christliches Gymnasium, ja das sei eine Offenbarung gewesen. Geprägt hätten sie ihn, seine Lehrer, durch die Bank gute Lehrer, und hätten ihm gezeigt wie Leben gehen könne. Dafür ist er ihnen bis heute dankbar. Und die Sechziger waren es auch noch. Sie dürfen nicht vergessen werden.
Ein kleiner Fußmarsch, sofort, vom Stellplatz zu den heute modernen Gebäuden des Bodelschwingymbasium musste sein, er konnte nicht warten, wobei die alte Baustruktur noch steht, um viel Neues ergänzt, und es fühlte sich offenbar gut an. Die Lektüre der Website des Gymnasiums rundete alles ab. Plötzlich wurde ihm bewusst, dass er Teil einer Geschichte, dass er in dennSechzigern Teil von etwas Großem gewesen ist, das bis heute trägt. ( https://de.m.wikipedia.org/wiki/Bodelschwingh-Gymnasium_Herchen)
Da kam dann ein „aber“. Und mit dem schlägt Juergen auch den Bogen von gestern zu heute und morgen: im Leitbild der protestantischen Schule wird aus Überzeugung großer Wert auf die Vermittlung eines christlichen Menschenbildes gelegt. Das hat Jürgen schon in seiner Schulzeit dort so erfahren und es ist vieles davon tief in ihm verwurzelt. Das ist gut so. Es macht ihn aus. Gelernt hat er dort auch kritisch die Dinge zu hinterfragen. Daher hat vieles im Laufe der Jahre keinen Bestand gehabt und musste sich seinem Zweifel an vielen christlichen Gehalten beugen. Als wir am Ufer der Sieg saßen, hat er mir davon erzählt.
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Ich weiss nicht, ob ihr das auch so handhabt? Wenn etwas beendet ist, dann geht Juergen in sich und zieht Bilanz. Und ich als sein Protokollant veröffentliche das dann.
Wir sind wieder in Deutschland, am Niederrhein, und haben unsere Reise ins Miroland beendet. Auch das Boulespielen. Gut eine Woche ist das jetzt her. Damit beginnt für Juergen also die Bilanzierung. Und für mich der Vorgang des Notierens.
Wir saßen beim Friseur in Geldern, Juergens Aussehen hatte nach zwei Monaten im Süden ohne Rasur und Friseur abenteuerliche Formen angenommen, und während wir warteten, diktierte er mir:
Es war die Gemeinschaft, die war dieses Jahr das Besondere.
Aus dem Vollen konnte man beim Leben im Wohnmobil künstlerisch nicht schöpfen. Man hat mit begrenzten Möglichkeiten zu tun.
Es galt: Reduktion auf Themen und Material, total und permanent. Die Skizzenbücher und das Fotografieren sind die Struktur. Buntstift und Fineliner hatten zu genügen.
Die Inspiration des Ateliers fehlte. Keine Frage. Man suchte, fand, las, blätterte und tauchte ein, aber nicht in den Sumpf der Anregungen, die im Atelierleben sonst so vielfältig vorhanden sind, sondern in das Leben im Freien.
Natur und Umgebung waren eine permanente Quelle der Inspiration und Anregung. Die Impulse waren vielfältig. Nur: was trägt? Was geht tiefer? Was passt ins Themebild? Was läßt auf mehr hoffen?
Ein bisschen war es ein eremitisches Dasein vor Ort. Man lebte zurückgezogen auf achtzehn Quadratmetern, beschäftigte sich gedanklich viel mit sich selbst und dem, was man so sah und hörte, und versuchte, sich auf das Wesentliche und was man dafür hält zu konzentrieren.
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