Biennale Venedig #15: zum Schluss

IMG_8787Was bleibt? Was wirkt? Was setzte sich so tief fest, dass es langfristig ausstrahlt?

Meine vierzehn Biennale Beiträge auf Buchalovs Blog waren persönlicher Art. Sie waren ein wirklich winziger Ausschnitt aus einer riesigen Menge von Eindrücken, basierend auf meinem Fotomaterial, das während meines dreitägigen Besuches auf dem Arsenale, dem Giardini und in der Stadt selbst entstanden ist, mehr oder weniger zufällig. Aber den Zufall gibt es ja in diesem Falle nicht. Es wird seine Gründe gehabt haben, warum ich gerade diese Bilder schoss.

Aber es war genau die mehr oder wenig zufällige Auswahl dieser Werke, die auf mich eine besondere Wirkung hatte. Und das Verbindende zwischen ihnen ist rückblickend ihre skulpturale Wirkung auf mich und die sinnlich, körperlichen Eindrücke, die sie in meinem Inneren hinterließen. Das Konzeptionelle, streng Gedanklich – Rationale ist bei mir in Venedig hinter herunter gefallen. Nicht bewusst, sondern aus dem Erleben des Ortes heraus. Und setzte eben erst später ein.

Und mich haben die Formen der Präsentation sehr interessiert – mein Blick war da sehr foccussiert – weil ich da für meine eigenen Werke ständig Suchender bin und Inspirationen erhoffe.

Mal sehen, was in den nächsten Wochen und Monaten oder auch später davon wieder in mein Bewusstsein gespült werden wird, wenn ich im Atelier sitze und meinen Gedanken eine Form zu geben versuche.

Juergen

P.S. Und ist der rasenmähende Mensch im Hintergrund des Bildes nun ohne Bedeutung, ein Zufall oder ein symbolträchtiger Hinweis? Na ja!

das Kleine finden

DAS KLEINE

IM GROSSEN

FINDEN

Dies wurde in Venedig bei der Biennale nach Tagen mein Leitspruch. Und so stand es im Tagebuch. DIe Masse an Kunst, die Vielfältigkeit der Darstellungsformen, die Unterscheidlichkeit der Inhalte und die Frage, wo finde ich mich da wieder, machte diesen Ansatz notwendig.

Ich habe gefunden:

Zuckerpapier bei Karla Black.

Eine Bretterwand im grieschichen Pavillon, hinter der sich die minimalistischste Wasserfläche befand, die ich je gesehen habe.

Hitler als Turmspringer

geliebte Schläuche im serbischen Haus

Flut an Videos

Was an Druckgrafik fehlte, was an Zeichnungen verschwunden scheint, fand sein Gegenstück in der Vielzahl der  Videos auf dieser Biennale. Es fiel mir allerdings von Tag zu Tag schwerer, in die dunklen Räume einzudringen, in denen sie gezeigt wurden und in denen man nicht weiß, über was man stolpern könnte und wo der Auusgang ist. Es fiel mir immer schwererer mich in die dort gezeigten Filme hineinzuversetzen, denn nie habe ich ein Video am Anfang erwischt, nie wußte ich wie lange sie dauern, immer war es schwierig den Inhalt ganzheitlich zu erfassen. Nur an den Videos, die wie im österreischichen Pavillon in helleren Räumen gezeigt wurden – und dieses Video war wirklich fesselnd in der Darstellung der Menschen in einer alten Fabrikhalle oder Schwimmbad mit ihren Verrenkungen, entstanden aus der Auseinandersetzung mit dem Raum -,  nur an denen hatte ich meine wirkliche Freude.

Der Tagebucheintrag lautete:

VIDEO

SOLCHE / SOLCHE

Hier der Link zu meinen bei Youtube eingestellten Videos: >>[…]

Grenzen spüren

Nun ja, man kann nach Venedig wegen der Faszination fahren, die diese Stadt auf uns ausübt. Es ist eine Faszination, die nicht nur durch die medialen Bilder geschaffen wird. Sie ist wirklich real vorhanden, wenn man sich in den Mauern Venedigs bewegt.

Man kann aber Venedig, wie in meinem Fall, auch besuchen, um der modernen Kunst auf die Spur zu kommen – indem man sich in der Stadt bewegt und das Moderne im Alten besucht.

Und dieses Moderne hat mich viermal hart berührt.

Der italienische Pavillon bringt einen an die Grenzen. Was hier vom Kurator an Kunst aus Italien zusammengetragen worden ist, war nur schwer ertragbar. Ist es Kitsch in Masse? Ist es Kunsthandwerk, das sich für den Geschmack prostituiert? Ist es einfach nur schlechte Ästhetik? Oder ist es ein bewusst radikaler Umgang mit der Masse an Kunstwerken und Bildern, die uns täglich überflutet?  Auf mich wirkte diese Sammlung wie ein Faustschlag in die kreative Magengrube – ich hatte Fluchtreflexe. Und vergaß zu fotografieren.

Karla Black im schottischen Pavillon dagegen verlangt von einem ein Höchstmass an sinnlicher Aufnahmebereitschaft. Ihre Rauminstallationen duften, riechen, wollen Sinnlichkeit, sind Puder, Zuckerpapier, gemahlene Erde, sind gehäufter Humus, sind Zuckerwattefarben, sind echt stark wirkend.

Franz West fordert ebenfalls einiges: seine Plastiken sind sicherlich in ihrer Formgebung radikal, in ihrer Materialbeschaffenheit ungewöhnlich, aber Skulptural. Seine Zeichnungen, Bildfetzen, figuralen Fragmente dagegen bringen einen an den Punkt sich entscheiden zu müssen: will ich mich darauf einlassen oder ignoriere ich diese hingeworfenen Arrangements, die, so scheint es, jeder, auch der Nichtkünstler so entwerfen kann. Oder liegt gerade darin das Besondere seiner Kunst?

Und Hirschorn topt dies alles noch: radikale Ästhetik aus Packpapier, Klebefolie, Klebeband, Pappe, Alufolie, Gegenständen des Alltags und Kristallen. Eine vollkommen eigenständige Welt in der Welt. Eine Grotte der Ansammlung von Gegenständen des Lebens, umfassend, massig und fordernd. Man geht staunend umher und fragt sich: wie schafft man das in dieser Umfassendheit, wie bewältigt man das visuelle, wo finde ich mich darin wieder. Toll!

die Zeichnungen 2

Hier einige der rasch hingeworfenen Skizzen – irgendwo in Venedig stehend oder sitzend festgehalten:

Fast schon reflexartig sind diese kleinen Skizzen entstanden, immer dann, wenn es notwendig erschien, die Zeit es zuließ, wenn ein Moment der Besinnung eintrat oder das kleine Buch in der Nähe lag. Diese Zeichnungen halten fest, was mich bewegte und sind näher an mir als ein Foto – denn sie sind „durch mich hindurch gelaufen“.

die Zeichnungen 1

Beim Durchblättern meines „Mini-Tagebuches“, das ich in Venedig erstellt habe, fällt mir auf, dass es Zeichnungen gibt, die sich nur mit dem „Ort Venedig“ beschäftigen und solche, die sich ausschließlich auf die gesehene „Kunst der Biennale“ beziehen.

Venedig:

 

Biennale:

 


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Gestern Nacht war der Trip zur Biennale nach Venedig beendet. Noch fehlt mir die zeitlich und gedankliche Distanz, um an dieser Stelle umfassend zu berichten, was diese Stadt und die Kunst in der Stadt, die es dort zu sehen gab, für Wirkungen hatte.

Mehr zufällig  hatte ich ein kleines Blankbook  mitgenommen und mit schwarzen Fineliner immer sogleich vor Ort meine Gedanken spontan darin verewigt, im Vaporetto, auf einer Bank, beim Espresso:  in Form von Skizzen oder einzelnen Worten. Und ich war damit nicht alleine. Diese Eintragungen in Form eines Tagebuches werde ich hier in den nächsten Tagen – allerdings nicht chronologisch und vollständig-  vorstellen.

Für heute soll folgendes genügen, geschrieben am 27 – 06-2011:

IM MEER DER KUNST / BABYLONISCHES GEWIRR / WOZU DIE VIELE KUNST? / ERTRINKEN!?

Venedig

Es herrscht Vorfreude. Denn heute geht es nach Venedig – zur Biennale. Und nächste Woche wird dann berichtet – keine venizianischen Impressionen, denn die gibt es zur Genüge. Es geht eher um die Frage, was das Gesehene mit mir gemacht hat oder macht. Wir werden sehen.

Ich freue mich!