Nun ja, man kann nach Venedig wegen der Faszination fahren, die diese Stadt auf uns ausübt. Es ist eine Faszination, die nicht nur durch die medialen Bilder geschaffen wird. Sie ist wirklich real vorhanden, wenn man sich in den Mauern Venedigs bewegt.
Man kann aber Venedig, wie in meinem Fall, auch besuchen, um der modernen Kunst auf die Spur zu kommen – indem man sich in der Stadt bewegt und das Moderne im Alten besucht.
Und dieses Moderne hat mich viermal hart berührt.
Der italienische Pavillon bringt einen an die Grenzen. Was hier vom Kurator an Kunst aus Italien zusammengetragen worden ist, war nur schwer ertragbar. Ist es Kitsch in Masse? Ist es Kunsthandwerk, das sich für den Geschmack prostituiert? Ist es einfach nur schlechte Ästhetik? Oder ist es ein bewusst radikaler Umgang mit der Masse an Kunstwerken und Bildern, die uns täglich überflutet? Auf mich wirkte diese Sammlung wie ein Faustschlag in die kreative Magengrube – ich hatte Fluchtreflexe. Und vergaß zu fotografieren.
Karla Black im schottischen Pavillon dagegen verlangt von einem ein Höchstmass an sinnlicher Aufnahmebereitschaft. Ihre Rauminstallationen duften, riechen, wollen Sinnlichkeit, sind Puder, Zuckerpapier, gemahlene Erde, sind gehäufter Humus, sind Zuckerwattefarben, sind echt stark wirkend.
Franz West fordert ebenfalls einiges: seine Plastiken sind sicherlich in ihrer Formgebung radikal, in ihrer Materialbeschaffenheit ungewöhnlich, aber Skulptural. Seine Zeichnungen, Bildfetzen, figuralen Fragmente dagegen bringen einen an den Punkt sich entscheiden zu müssen: will ich mich darauf einlassen oder ignoriere ich diese hingeworfenen Arrangements, die, so scheint es, jeder, auch der Nichtkünstler so entwerfen kann. Oder liegt gerade darin das Besondere seiner Kunst?
Und Hirschorn topt dies alles noch: radikale Ästhetik aus Packpapier, Klebefolie, Klebeband, Pappe, Alufolie, Gegenständen des Alltags und Kristallen. Eine vollkommen eigenständige Welt in der Welt. Eine Grotte der Ansammlung von Gegenständen des Lebens, umfassend, massig und fordernd. Man geht staunend umher und fragt sich: wie schafft man das in dieser Umfassendheit, wie bewältigt man das visuelle, wo finde ich mich darin wieder. Toll!