muss man sich das antun?

IMG_5351„Boris der Maler“ und „Rudolf der Bildhauer“ und Juergen und ich, wir sassen, was wirklich ungewöhnlich war, am gestrigen Sonntagmorgen in der Ateliergemeinschaft am Ostwall zusammen. Thema: Teilnahme an Wettbewerben. Es ergab sich so.

Und Rudolf der Bildhauer verstand die Welt nicht mehr, weil mal wieder ein von ihm eingereichter Beitrag abgelehnt worden war, und er überlegte ernsthaft, ob er sich für die nächsten Bewerbung nicht einen Künstlernamen und eine erfundene Vita zulegen solle.

Diese Intransparenz der Entscheidungskriterien, diese interessengeleiteten Jurymitglieder, die Versuche der Mitbewerber im Vorfeld durch Kontaktaufnahme mit einzelnen aus der Jury die Chancen zu steigern, das Auswahlverfahren als gruppendynamischer Prozess der Jurymitglieder zu Lasten der eingereichten Beiträge, der ständige Nachweis einer Hochschulausbildung, die den Autodidakten klar benachteiligt, der Hinweis auf die Kraft der Werke, ohne das man genau sagen könne, was das denn sei, die indirekte oder direkte Einflussnahme der Sponsoren auf die Entscheidungen, und und und.

Sie redeten sich richtig in Rage, bis Jürgen salopp meinte, dass sie doch eigentlich mal vor einiger Zeit vereinbart hätten, an solchen Wettbewerben nicht mehr teilzunehmen. Weil es nichts bringe, außer Frust, und weil es für die Qualität der eigenen Arbeit unbedeutend sei. Das alles sei doch schon mal diskutiert worden. Ausgiebig. Aber wahrscheinlich sei es die Eitelkeit, die so mächtig kitzle.

Stimmt, dachte ich: muss man sich das wirklich antun?

Buchalov

15 Gedanken zu „muss man sich das antun?

  1. Aber es tut ja so gut, wenn auch mal öffentliche Anerkennung kommt, obwohl man sich das natürlich eigentlich nicht antun sollte, obwohl man eigentlich weiß, wie es läuft. Eitelkeit ist es, ja, aber auch diese nicht tot zu kriegende Hoffnung auf eine breitere Anerkennung, als man sie hat. Ziemlich schizophren, oder? Und ich kann Rudolf leider nur zu gut verstehen und beneide Jürgen ein wenig um seine Abgeklärtheit.

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    • Liebe Mützenfalterin!
      Vielen Dank für Deinen Beitrag.
      Na ja, auf dem Papier mag Juergen ja so abgeklärt sein. Tatsächlich aber geht es in Wellenlinien auf und ab zu diesem Thema, und ich bin immer froh, wenn wir es dann in der Ateliergemeinschaft mal wieder diskutieren, denn die Diskussionen holen mich auf den Boden zurück..
      LG Juergen

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  2. …bekannte Fragestellung… bekannter Frust… derzeit neue Einsichten: Altersbeschränkungen, akademischer Modell-Werdegang und derzeitige modische Tendenzen in Richtung konzeptionelle Kunst – in der Tat – muss man sich das antun? Bin grade dabei mir wieder selbst untreu zu werden… 😉 danke für den Anstoss und die Ehrlichkeit! lg t

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  3. Wir haben ja auch bereits drüber gesprochen: Muss man nicht. Und eigentlich führt es vom Thema weg. Kunstrankings, Stipendien, das Guiness-Buch-der-Rekorde, Wettbewerbe, ja Geld überhaupt gehören abgeschafft. Make the secrets productive! Öffentliche Anerkennung geht auch auf anderen Wegen.

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    • Hallo Klaus!
      Ja, wir haben drüber gesprochen und dennoch, so geht es mir jedenfalls, verfällt man dann wieder in alte Muster. Ich glaube, es ist die Eitelkeit und die Verlockung der öffentlichen Anerkennung, die einen einbrechen und vom gedachten Weg abweichen lassen.
      Und wie geht Anerkennung auf anderen Wegen? Im sozialen Kontext? Im kleinen Kreis? In der Internetpräsentation? Im Rahmen einer Atelierausstellung? Oder wie?
      LG Juergen

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  4. …. ein anderer Name und eine fiktive Vita, irgendetwas exotisches, Bogotá zieht eher als Gelsenkirchen …. hilft aber auch nichts, denke ich. Wir haben uns letztens die Beiträge angesehen, die dem Brühler Kunstverein eingereicht worden sind, zwecks Ausstellung, natürlich. 50 Bewerber – ich hätte nie gedacht, dass die Auswahl so schwer ist, weil die Qualität so hoch ist. Vielleicht 10 fielen deutlich ab, aber die restlichen 40 …. da hätte man auch einfach würfeln können, da hätte es jeder verdient gehabt …. …. …. und ich hatte den Eindruck, dass die Vita etc. gar nicht so wichtig ist – weil die sich alle so ähneln und alle mit langen Ausstellungslisten und Publikationen angeben – – – und weil es alle machen, hebt sich der Effekt wieder auf.
    Schönen Dienstag! Martin

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  5. Aus meiner Tätigkeit im Vorstand des Saarländischen Künstlerhauses kann ich das nur bestätigen. Wir haben jährlich Unmengen von Bewerbungsmappen gewältzt. Unmengen von Künstlern auf einem hohen Level (Natürlich auch einige wenige, sehr sehr schlechte). Und wir konnten leider nie alle ausstellen. Dazu hätte es noch drei Künstlerhäuser in Saarbrücken gebraucht.

    Mit der Zeit entwickelt man, unabhängig von der Vita, den Blick für eine gewisse Qualität der Arbeit. Und nicht immer sind es Bewerbungen mit supertoll gedruckten Katalogen, die überzeugen.

    Wer sich auf diese Form des Wettbewerbs einlässt, MUSS zwangsläufig mit Absagen rechnen. Wer Absagen persönlich nimmt, muss es lassen! Es gibt, da gebe ich Klaus recht, auch andere Wege der Präsentation, der Ausstellung, der Anerkennung als die gewohnte, konventionelle & frustrierende Ochsentour. Es gibt nicht DEN Kunstmarkt. Aber es gibt unendlich viele Möglichkeiten künstlerischer Überlebensstrategien (die leider nicht immer funktionieren).

    Trotzdem. Bei allem, was ihr tut: Habt Spaß an eurer Arbeit! Seid nicht neidisch, missgünstig, hämisch oder frustriert!

    Eine Absage hängt aber nicht immer mit der mangelnden künstlerischer Arbeit Qualiät zusammen. Im Gegenteil. Manche Kollegen bewerben sch von Jahr zu Jahr bei den gleichen Institutionen, bis es klappt mit einer Ausstellung. Im Übrigen stellte das Künstlerhaus in Saarbrücken gerade einen Kollegen aus, der seit Jahren hier ein erstaunliches Werk geschaffen hat. Als Autodidakt!

    http://www.kuenstlerhaus-saar.de/index.php/galerie.html
    http://www.alwinalles.de/index.html

    Bei Kunstpreisen, Stipenden, Kunst-am-Bau-Projekten usw. sieht es nicht anders aus. Wer da glaubt, er schickt eine tolle Bewerbung los & bringt eine Jury zum Jauchzen & Frohlocken, der irrt sich (Es gibt sie, zweifelsohne, die Mauscheleien, Absprachen & Urteile, die schon vorher feststehen). Architekten können Opern davon singen. Andere bewerben sich mit Hunderten anderer auf eine einzige ausgeschriebene Stelle.

    Na und?

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  6. Ja, da kann man Armin nur rechtgeben: Habt Spaß an Eurer Arbeit, seid nicht neidisch, missgünstig, hämisch oder frustriert! Schöne und gute Worte. Wobei ich aus eigener Erfahrung weiß, dass das nicht immer so einfach ist. Wie kann öffentliche Anerkennung (mir würde bereits Wahrnehmung genügen) funktionieren außerhalb von Wettbewerben? Bewerbungen an Künstlerhaus, -häuser o.ä. wollte ich dabei nicht ausschließen, dem kann man sich durchaus stellen. Aber ein wunderbares Beispiel gibt auch der Mainzer Stefan Brand, der unter dem Namen BrandStifter agiert und der ziemlich zielsicher „sein Ding“ seit den früher 90er Jahren verfolgt bis zur Gründung eines eigenen kleinen Kunstvereins, alles, um die DInge in die Welt zu setzen, die er gut findet. Und so langsam läuft das. Unabhängig von offziellen Strukturen schafft er es, zusammen mit seiner Walpodenakademie, kleine Festivals zu veranstalten und dafür mittlerweile auch Gelder vom Land Rheinland-Pfalz zu bekommen. Bücher zu machen usw. usf. Das wäre ein Weg. Und es gibt wahrscheinlich noch viele andere. Macht Euch nicht untertan und nutzt das, was sich Euch bietet.

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    • Hallo Klaus!
      Ein liebes Dankeschön aus Berlin fuer Deine Konkretisierung eines alternativen Weges, sich auf eine anderer Art um Weise öffentlich zu zeigen.
      Und natürlich habt ihr Beide, Du und Armin, mit euren Positionen recht. Allerdings, ist das Gehen eines solchen Weges mit hohem energetischen Aufwand verbunden und verlangt einen langen Atem. Und das Geld, das liebe Geld, sollte man als Notwendigkeit nicht vergessen.
      Deine Anregung wird mich noch ein wenig gedanklich beschäftigen,
      LG Juergen

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