









Buchalov | Altglasfotografie | https://instagram.com/juergenkuester_buchalov
Buchalov | Altglasfotografie | https://instagram.com/juergenkuester_buchalov
Datum: 20-03-2022
Buchalov | mobile photography |
„Parzelle 268“ war von Jürgen und mir belegt. Wir waren seit Ende August dort und sind jetzt auf der Rückfahrt. Die Menschen auf den Parzellen um uns herum wechselten. Sie kamen und sie gingen. Sie bauten auf und sie bauten ab. Einige blieben länger. Einige blieben für sich. Andere suchten den Kontakt. Ich mag sie alle. Es gab unter anderem:
Die spanische Familie mit den zwei Kindern, die beim nachmittaeglichen Zeichnen neugierig schauten.
Die Berliner, beide über achtzig, die wieder überwintern, zum letzten Male, im März zurückfahren und mit zu plastikobjekten zerschnittenen Plastiklaschen ihre Parzelle verschönerten.
Die vierköpfige Familie mit Hund, mit ihren vielen Freunden, verteilt über andere Parzellen und mit dem Hang zum mitternächtlichen Feiern.
Die Engländer aus Calpe, deren “Good morning” nach Insel klang und die den Brexit für eine irre Angelegenheit hielten.
Der Freund von ihnen, ebenfalls Engländer, Alleinfahrer, ein wenig einsam, schien uns, der seine spanische Freundin mit Pudel nachkommen ließ. Er hatte seine Gründe.
Das junge Spanische Paar im kleinen Van und die kleine, wilde Katze, die sie angefüttert hatten.
Das spanische Paar und ihre Leidenschaft zu nächtlichen Strandbesuchen.
Das Ehepaar aus Köln, das die anderen Kölner hier bewusst mied.
Der Aussteiger aus dem Oberallgäu auf der Dünne mit seinem lieben Australien Shepard und einer von Hand angetriebenen Waschmaschine. Er wusste wie die Welt funktionierte und pflegte sein Anderssein – ein richtig netter Kerl.
Die Regensburger, die in Gretna Green vor über vierzig Jahren geheiratet haben und mit denen man sich zum Plausch im Wasser traf.
Die Darmstädter, die hier auf der Durchreise sind nach Fortuna bei Murcia, zu den Thermen, die wissen, wo es das beste deutsche Brot gibt, und die fünfzehn Jahre in Amerika gelebt haben.
Die zwei Schweizer, deren schweizerdeutsch einfach faszinierte und die so richtig kontaktfreudig waren. Von ihm lernte ich wie die Schweizerdemokratie funktioniert.
Der Stuttgarter, der sich einigelte und seinen Benz vor dem Staub mit Folien und Waschen schützte, der aber dennoch jeden und jede hier kannte.
Die zwei aus Erfurt, denen die Preise für alles extrem wichtig sind, die alle billigen Restaurants im Umfeld kennen und ihr Wissen gerne teilten.
Die zwei aus Herne, die sich so klein und unscheinbar machten.
Die zwei aus Hannover, bis kurz vor der Wende in der ehemaligen DDR lebend, die sich über den Körper, die Leistung im allgemeinen, über preußische Tugenden und über den Sport definieren.
Der Doktor aus Neuss, der ebenfalls auf der Dünne stand, Denksportaufgaben liebte, auf seine polnische Lebensgefährtin wartete und an Lumbargo litt und nicht wusste, wer seinen Hund ausführen könnte.
Die eingeschworene Kölner-Campergemeinschaft am Rande des Platzes, die zwischen zwei Bäumen ein Banner gehängt haben. Aufschrift: Domplatte.
Viva la vida!
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Während ich den Frühstückstisch abräume, zieht sich Jürgen mit der letzten Tasse Kaffee zurück und zeichnet so vor sich hin, assoziativ nennt er das, und das machte er die letzten Tage täglich. Das Zeichnen bringe ihn näher an die Dinge. Und die Dinge würden klarer, so sagte er.
Hejo, heja! Hejo, heja!
Zu sehen gibt es diese Skizzen:
Und damit endet der erste Teil von “künftig/bald/nach vorne”, der sich mit dem Thema Wasser beschäftigte und Jürgen dazu zwingen sollte, selbst auferlegt, nach vorne zu schauen und in kleinen Schritten die eigene Vorgehensweise, die Art zu sehen, die Art darzustellen kleinschrittig zu verändern. Und das im Blick auf etwas ganz alltägliches: das Wasser.
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Wenn Juergen umherschleicht, im Thema, oder unterwegs an Orten, dann fotografiert er. Oder er verwendet alte Photos, die er mit Hilfe der Colorama-App auf dem iPhone verfremdet.
Ein wichtiger Hinweis, so Juergen, dürfe heute nicht fehlen: Es geht um die Wasserbilder von Ule Rolff. Ule hat auf ihre Art Jürgens Projekt begleitet, ohne feste Absprache, sie haben sich ein wenig ausgetauscht und angenähert. Jürgen dankt sehr dafür. Die Wasserbilder von Ule kann man hier sehen: https://ulerolff.net/
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Jeden Tag sind wir auf der Insel umhergelaufen und haben uns dem Zufall überlassen, immer das Thema “Wasser” im Blick – so oder so!
im Wasser:
am Wasser
nach dem Wasser
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Die Zeit vergeht. Ja, die Zeit vergeht. Und im Strom der Zeit versinkt einiges, taucht unter, aber bisweilen kann es wieder nach oben befördert werden. So ist es geschehen. Sagt Juergen.
Jetzt ist es schon über eine Woche her, dass er und ich an der Sieg, dem Westerwald, dem Rhein und der Lahn unterwegs waren. Der Erinnerung hat es gut getan. Uns hat es gut getan. Auch dem Blick nach vorne hat es geholfen.
Zeichnungen sind entstanden – wie immer auf der Buchalovs Tour. Die Erinnerung geschieht auch auf dem Papier, natürlich. Ein wenig von dem, was sich Juergen da so „zusammengekritzelt“ hat, habe ich schon gezeigt. Einige Skizzen hat Juergen aber auch überarbeitet. Jetzt darf ich in der Summe zeigen, was so entstanden ist. Also hier der erste Teil:
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Die eine Seite des Westerwaldes begrenzt die Sieg. Da waren Juergen und ich letzte Woche. Die südliche Begrenzung bildet die Lahn. In Limburg stehen wir momentan. Kalt war es in der Nacht, kein Vergleich zu den milden Temperaturen des Rheingaus. Aber der Blick auf die Lahn ist schön, bei aufkommender Sonne und der Ruhe. Im Hintergrund läuft „early morning rain“ – beruhigend. So langsam aber wächst die Sehnsucht nach der Wärme des Niederrheins.
Limburg, das ist für Jürgen ein Besuch bei seiner Schwester. Limburg, das war aber gestern und heute auch ein Besuch in der Kunstsammlung der Stadt und ein Farradrundgang durch den historischen Ortskern – in Coronazeiten ein Wagnis, wegen der vielen Menschen
In der Altstadt liegt der Dom, erhöht. Das Diözesanmuseum hatte leider zu, Montag. Aber der Dom lockte Juergen an und eine Begehung war notwendig und zeigte: ein Gebäude voller Symbolik und christlicher Ikonographie.
Und dann treffen wir auf zwei Frauen, die uns ansprechen, und es stellt sich heraus: es ist ein missionarischer Heilungsdienst mehrere Frauen einer freikirchlichen Einrichtung, darf ich Sekte schreiben?, die gezielt Menschen ansprechen und für Gott in ihrem Sinne gewinnen wollen. Gesprächsaufhänger sind Themen wie das Fahrrad, das Wetter, die Körperhaltung, und und und. Belangloses eben. Juergen fragte sich im Nachhinein, was seine Signale waren, die zur Kontaktaufnahme führten. Man wird offenbar stärker beobachtet als man denkt. Die Damen dieser Freikirche waren auf Seelenfang, verunsicherten im Gespräch, redeten vom Heilen, dem körperlichen heilen, vom Heilen der Sünden, dem Heilen von körperlichen Gebrechen oder biographischen Verfehlungen. Die Bibel gilt als einzige Wahrheit. Wir sahen ein Heilsversprechen auch per Handauflegen, so im Vorbeigehen: irre das Ganze, und perfide.
Hier sind das Alte und das Geschäft und der Tourismus und Gott überall präsent. Es ist dieser seltsame Mix aus Historie, aus Geld und kleinen Geschäften, aus christlichen Zeichen und dem Segen der Kirche. Hoch oben der Dom mit seiner aufgeladenen Symbolik von der himmlischen Stadt Jerusalem. Und mittendrin der Versuch dem Leben über eine Zuwendung zu Gott Sinn zu geben. Hier ist der alte Gott. Das ist der Ort, an dem man sich schnell sündig fühlt und um Vergebung bittet. Hier geht es im Verfehlungen im Vergangenen und die Hoffnung auf Erlösung in der Zukunft. Jürgen denkt ja mehr an eine Erlösung im Hier und Jetzt. Sagte er. Aber es ist schon mehr als verwunderlich, das sich an allen Orten der vergangenen Tage die Religion, das kirchliche und ihre Symbolik wie ein roter Faden durchzieht. Wahrscheinlich ist es historisch bedingt. Oder es hat mit Jürgens Überempfindlichkeit in diesen Dingen zu tun.
Heute geht es nach jedenfalls nach Hause.
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